Denkmalschutz

Am 18.08.2008 wurde die gerade 40 Jahre alte Markuskirche in Gladbeck, Kreis Recklinghausen, durch die Stadt Gladbeck auf Empfehlung des LWL-Amtes für Denkmalpflege in Westfalen unter Denkmalschutz gestellt. Städtebauliche, wissenschaftliche und architekturgeschichtliche Gründe gaben den Ausschlag bei der Entscheidung für die Unterschutzstellung des Gebäudekomplexes. Denn die Markuskirche ist ein herausragendes, für die 1960ger Jahre typisches Bauwerk. In der Begründung wird sowohl seine Bedeutung für die Entwicklung der ev. Kirche in Gladbeck gewürdigt als vor allem auch seine städtebauliche Bedeutung. Das Gemeindezentrum ordne sich dem Straßenverlauf unter, der Turm (ca. 20m) mache aber als städtebauliche Dominante auf die Existenz des Zentrums aufmerksam.

Der zeittypische Grundriss und die Raumgestaltung fanden ebenso Berücksichtigung in der Entscheidungsbegründung. So ist die Funktion als Gemeindezentrum maßgebend für die Ausformung. Die räumliche und bauliche Trennung von Kirche und Turm, die Überdachung des Gangs im Eingangsbereich, die aus Dreiecken gestalte Zeltkirche, die Benutzung zeittypischer Materialien und die Einzigartigkeit der Prinzipalstücke sprechen für die architekturgeschichtliche Relevanz des Gebäudekomplexes. Zum Tag des Offenen Denkmals 2010 brachten der Stadtbaurat Carsten Tum und die stellvertretende Bürgermeisterin der Stadt, Brigitte Puschadel, eine Denkmalplakette neben dem Eingang des Martin Luther Forum Ruhr an. Darauf ist zu lesen: Mit ihrer markanten Zeltdachkonstruktion auf dem Grundriss eines Pentagons stellt die ehemalige Markuskirche ein zeitlos bleibendes Zeugnis moderner Baukunst des 20. Jahrhunderts dar… Im Sinne einer beispielgebenden kirchennahen Folgenutzung bietet das Gebäudeensemble seit dem 1. August 2008 dem Martin Luther Forum Ruhe einen identitätsstiftenden Ort.“ Lesen Sie dazu auch die Information unter baukunst-nrw.

Dr. Petra Beckers vom Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege, Essen Januar 2009 hat für uns die Markuskirche in die Architekturgeschichte eingeordnet. Sie schreibt:

Ein typischer evangelischer Kirchbau der 60er Jahre

Architektur ist in allen Epochen aus gesellschaftlichen Bedingungen entstanden. Sie ist materialisierte Geschichte und Träger von Information einer Zeit.

Die Architektur der 60er Jahre war gerichtet auf eine verheißungsvolle Zukunft mit Zuschreibungen wie modern, fortschrittlich oder rational, eine Zeit der Umbrüche und Visionen. In den Jahren zwischen 1960 und 1972 hat die BRD einen tiefgreifenden Wandel erfahren, Einstellungen, Lebensgefühl und Wertesystem haben sich grundlegend geändert. Es war die Zeit des Endes der Ära Adenauer, des Baus der Berliner Mauer, J. F. Kennedy wurde Präsident der USA, Willi Brandt wurde 1969 Bundeskanzler, die Zeit der Studentenbewegung, die sich gegen die hierarchischen und autoritären Universitäten wandte, den Vietnamkrieg und die Verkrustungen der Gesellschaft von Nachkriegsdeutschland.
Die 60er Jahre galten als die eigentlichen Wirtschaftswunderjahre der BRD. Das Infragestellen von Tradition und gesellschaftlichen Normen paarte sich mit der Zuversicht, dass der wissenschaftliche Fortschritt alles machbar werden lassen konnte.

Die Auswirkungen auf die Architektur können in den Begriffen „Verdichtung, Rationalisierung und Zentralisierung“ zusammengefasst werden – es entstanden Schulzentren, Kongreßzentren, Kirchenzentren etc. Der Glaube an unbegrenzte Machbarkeit führte zu riesigen Klinikbauten, Universitäten und Großsiedlungen auf der grünen Wiese. Viele dieser Bauten wurden schon bald nach ihrer Fertigstellung kritisiert, da sie den menschlichen Maßstab sprengten.

Aber es gibt auch Entwicklungen in der Architektur, die leichteste Flächentragwerke entstehen ließen. Genannt seien hier die Architekten Egon Eiermann, Hans Scharoun, Günter Behnisch und Frei Otto. Große Metall / Glas Fassaden entstanden, kantige Formen aus Sichtbeton oder Waschbetonplatten, Baukörper mit klaren Grundformen, aber auch freiplastische Volumina. Es gab eine Entwicklung weg von der Kleinteiligkeit hin zur Großform.

Im evangelischen Kirchbau entstanden in dieser Zeit Gemeindezentren, verbunden mit einer Abwendung vom Sakralraum zum Mehrzweckraum, der dem Anliegen der dienenden Kirche mit starker Hinwendung zu den sozialen Aufgaben der Zeit entsprach. Die Betonung des reinen Wortes machte sinnliche Äußerlichkeiten überflüssig.

Die Markuskirche in Gladbeck macht diese Forderung anschaulich, sowie die, dass Kirchenräume Würde und Einfachheit besitzen sollen. Das Augenmerk liegt auch in der Markuskirche nicht auf der Einzelform, sondern auf den „Raumspannen“.

In einer Zeit, in der Kirchen aufgegeben werden müssen und davon ganz besonders die Bauten der Nachkriegszeit betroffen sind, ist es ein absoluter Glücksfall, dass die angestrebte Nutzung die Materie und die theologische Sichtweise des evangelischen Kirchenraums der 60er Jahre weiterhin dokumentieren wird. Dieses Projekt wird damit zu einem wichtigen Beispiel für die Umnutzung von Kirchen .