Aufgebaut in den Jahren 2009 und 2010, war schon von Anfang an geplant, diese von Thematik und Präsentation in Deutschland einzigartige Ausstellung im Gebäudekomplex der ehemaligen Markuskirche in Gladbeck-Ost kontinuierlich zu erweitern und Inhalte zu vertiefen. Während die Abteilungen „Luther und seine Welt“ und „Am Anfang war das Wort“ kaum verändert wurden, bieten die Abteilungen „Alltagswelt und Sonntagskirche“ und „Wurzeln und Früchte“ mit wesentlichen Änderungen neue Informationen und Zugänge.
Hier in Stichworten ein Überblick über die Neuerungen:
Prägungen:Schulen und Pfarrhäuser als Orte der Orientierung in Glaubensfragen entwickelten Prägekräfte in der Gesellschaft. Der Protestantismus formte die Schule auf dem Weg in die Moderne entscheidend mit. Das evangelische Pfarrhaus war mehr als nur Wohnstätte des Seelsorgers und seiner Familie – es war Anlaufstelle für jedermann und hatte viele Funktionen für die Gemeinde.
Frömmigkeit: Hier zeigt die Ausstellung im Martin Luther Forum Ruhr in erweiterter Form sehr anschaulich, wie weit Religion und Glaube Eingang in die Häuser gefunden haben: vom Bibelofen mit der Weihnachtsgeschichte über christliche Bilderrätsel und Sterne für den Adventsbaum bis hin zur Brotdose aus den 1920er Jahren mit der Aufschrift „Unser täglich Brot gib uns heute!“ und dem bestickten Überhandtuch „An Gottes Segen Ist Alles gelegen“.
Protestantisches Vereinswesen: Bergbau und Industrialisierung veränderten ab Mitte des 19.Jahrhunderts das Ruhrgebiet grundlegend. Die Bergleute kommen vor allem aus den preußischen Ostprovinzen, evangelische Unternehmer wie Emil Kirdorf und Friedrich Grillo lassen in Masuren junge evangelische Handwerker und Bauern für die Arbeit im Ruhrgebiet anwerben. Hier bewahren sie sich ihre Mentalität und Sprache, gründen Gebetsvereine, die es zum Teil heute noch gibt. Die Ausstellung erinnert auch an das Beispiel des 1887 in Gelsenkirchen gegründeten Gebetsvereins, dessen Vorstände Libuda, Maräk, Schwarz und Bruderek hießen – und den Gründungsmythos des FC Schalke 04: „Die berühmtesten Masuren waren Fritz Szepan, Ernst Kuzorra und Stan Libuda.“ Auch die Evangelische Frauenhilfe und die Evangelischen Arbeitervereine stehen spätestens mit der Industrialisierung für ein „dezidiert protestantisches Vereinswesen im Ruhrgebiet“.„Reformation und Ruhrgebiet“ will diese Wurzeln ihres Wirkens in der Ausstellung offen legen.
Verführung und Bekenntnis: Kirche und Religion werden in der Menschheitsgeschichte immer wieder instrumentalisiert. In einer eigenen Abteilung wird der Protestantismus im Ruhrgebiet im Kaiserreich und in der Zeit der NS-Diktatur unter die Lupe genommen. Zwischen „Verführung und Bekenntnistreue“ bewegen sich die Exponate, die auch einen sogenannten Volksempfänger enthalten, an dem man eine Predigt eines Bochumer Pfarrers aus der NS-Zeit hören kann.
Kirchbau: Das Martin Luther Forum Ruhr selbst zeigt eine beispielhafte identitätsstiftende Folgenutzung eines aufgegebenen Gotteshauses in Zeiten der Schrumpfung der großen christlichen Kirchen. So ist es nur folgerichtig, dass in der Ausstellung „Ruhrgebiet und Reformation“ nunmehr auch ein Einblick in den Kirchbau mit seinen Kirchenschließungen und Folgenutzungen gegeben wird.