Ein Bekenntnis zum Bekenntnis

„Jeder Einzelne hat eine individuelle Verantwortung vor Gott.“ Mit diesem Satz beschrieb der Thüringer Altbischof Roland Hoffmann am Mittwochabend den Kern des Neuen an Luthers Lehre. Dieser Gedanke der individuellen Verantwortung zog sich wie ein roter Faden durch den Gesprächsabend „und wenn die Welt voll Teufel wär“ im Martin Luther Forum Ruhr.

Rund 70 Gäste lernten in dem vollbesetzten kleinen Saal des Lutherforums einen Altbischof kennen, der engagiert dafür warb, dass jeder Einzelne sich auch in der heutigen Zeit seiner eigenen Verantwortung bewusst sei. Wie geht einer mit dem ungeborenen Leben um? Wie verhalten wir uns angesichts von Gewalt in Familien und S-Bahnen, in Schulen und Afghanistan? „Wer in diesen Fragen kein Profil hat, rutscht und wird – wie beim Aquaplaning – zur Lebensgefahr für andere und für sich.“
Peter R. Seeber, der das Gespräch mit dem Altbischof führte, hatte Hoffmann gleich zu Beginn des Abends als „Bischof zum Anfassen“ vorgestellt. Diese Einschätzung sollte sich im Laufe des Abends mehrfach bewahrheiten. Munter erzählte der 71-Jährige wie er in seiner Amtszeit zwischen 1992 und 2001 als Thüringer Landesbischof den Umbruch nach der Wiedervereinigung erlebte. „Vor der Wende hatten wir in unserer Landeskirche lediglich zwei Juristen. Disziplinarverfahren kannten wir nicht. Probleme wurden seelsorgerisch verhandelt. Danach erlebten wir eine regelrechte Juristenschwemme. Rechtliche Auseinandersetzungen gewannen gegenüber seelsorgerischen Schlichtungen die Oberhand.“ Damit sei auch ein Stück Identität der Kirche verloren gegangen.
Was für die Kirche insgesamt galt, habe auch für den Einzelnen gegolten. „Im sozialistischen System der DDR konnten wir Christen uns durch unser Bekenntnis definieren. Wer in die Kirche ging, wurde registriert. Das alleine verband. Heute zeichnen wir uns als Christen weniger durch unser Bekenntnis als durch ethisches Verhalten aus.“ Ethik aber könne nur auf einem bekennenden Glauben wachsen, sonst bleibe sie angelernte Moral.
„Wir überleben nicht, wenn wir alle Überzeugungen über Bord werfen.“ „Das, was wir heute als Wirtschafts- und Finanzkrise erleben, hat seine Ursache dem Grunde nach in einem Verfall der Werte in der Gesellschaft.“ „Demokratie ist nur möglich, wenn die Mitglieder der Gesellschaft ethische Überzeugungen beibehalten.“
Diese und andere Thesen sorgten noch nach dem offiziellen Teil des Abends für reichlich Gesprächsstoff unter den Gästen. Bei einer heißen Suppe und kalten Getränken im Café am Turm die Gedanken nutzten sie die Gelegenheit, die aufgeworfenen Gedanken mit dem Altbischof und untereinander zu vertiefen.

Kulturhauptstadt Europas – Ruhr.2010

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Im Jahr 2010 stand die Region Ruhr mit Essen als Mittelpunkt im Blickpunkt Europas. Mit dem Veranstaltungsprogramm der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 wurden die 53 Gemeinden der Region als Metropole Ruhr erfahrbar.

Zum Ereignis Kulturhauptstadt Europas Ruhr.2010 gehörte die Vergewisserung der eigenen Geschichte als tragende Dimension. Die Herausstellung des historischen Erbes war einer der wesentlichen Aspekte der Idee der Kulturhauptstadt. Darum ging es im Jahr 2010 im Martin Luther Forum Ruhr – aus der Perspektive des Protestantismus. Und darum geht es auch weiterhin.

Der Fokus des Projektes liegt nach wie vor auf einem anspruchsvollen Niveau geistiger Auseinandersetzung mit kulturgeschichtlichen Errungenschaften des Protestantismus.

In der kreativen Auseinandersetzung mit der Wirkungsgeschichte der Reformation werden insbesondere auch die europäischen Bezüge zum Ruhrgebiet deutlich: Evangelisches Leben im Ruhrgebiet ist vielfach Migrations- und Integrationsgeschichte! Die Wurzeln des heutigen evangelischen Ruhrgebiets liegen in Europa. Der Protestantismus hat Europa ins Ruhrgebiet gebracht. Hier bietet das Martin Luther Forum Ruhr eine hervorragende Gelegenheit, den Beitrag reformatorischen Lebens und Glaubens, Denkens und Handelns zur Entwicklung der Region Ruhr sichtbar und erfahrbar werden zu lassen.

Als Ankerpunkt in der Region und als herausragendes Projekt im Emscher-Lippe-Raum wird das Martin Luther Forum Ruhr im Jahr der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 – und darüber hinaus – seinen Beitrag leisten, um die Vision mit Leben zu füllen, aus der regionalen Gemeinschaft von 53 Städten eine Metropole neuen Stils zu bilden.

Das Martin Luther Forum Ruhr ist auf der Programmkonferenz der RUHR.2010 GmbH am 15.08.2008 als Kulturhauptstadtprojekt benannt worden. Es ist damit gesetzter Bestandteil des Programms der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010.

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Mitte Oktober 2007 hatte das Martin Luther Forum Ruhr seine Bewerbung bei der Ruhr.2010 GmbH eingereicht. Unterstützt wurde diese insbesondere vom Evangelischen Kulturbüro RUHR 2010.

Heute können wir sagen: „Als eines der Ankerprojekte der Ev. Kirche von Westfalen und im Rheinland bildete das Martin Luther Forum Ruhr einen herausragenden Schwerpunkt innerhalb des Ev. Kulturprogramms zur Kulturhauptstadt 2010, das unter dem Titel „Inspiration. Begegnung. Kultur“ stand.“

Eröffnung des Martin Luther Forum Ruhr setzt Zeichen zum Aufbruch

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300 Gäste aus ganz Nordrhein-Westfalen und darüber hinaus erlebten am Freitagabend in der ehemaligen Markuskirche an der Bülser Straße eine stimmungsvolle Eröffnungsfeier des Martin Luther Forum Ruhr, die auch zum Nachdenken anregte.Landtagspräsidentin Regina van Dinther sprach als Schirmherrin das Geleitwort und betonte, dass Gladbeck stolz sein könne auf das Martin Luther Forum Ruhr – „und stolz auf die Menschen, die sich für die neue Nutzung der 2008 geschlossenen Kirche Markuskirche über Monate hinweg eingesetzt haben.“

Im Ruhrgebiet seien die Nachrichten über Kirchenschließungen mit vielen berechtigten Ängsten verbunden. „So war es auch hier in Gladbeck. Es war zu befürchten, dass eine unersetzbare Lücke für das Miteinander im Osten der Stadt entsteht. Umso glücklicher dürfen wir heute sein, dass es gelungen ist, dieses schöne Gemeindezentrum mit neuem Leben zu füllen“.

Auch Präses Alfred Buß erklärte: „Mit dem Martin Luther Forum Ruhr setzen Sie ein Aufbruchssignal in heutiger Umbruchszeit“. In seinem Festvortrag stellte er die Bedeutung der Bildungsarbeit des Martin Luther Forum Ruhr heraus. Zur Zeit der Reformation seien Luther und seine Kollegen nach dem evangelischen Prinzip vorgegangen, dass jeder Einzelne seinen Gaben gemäß zu fördern ist. „Das Handeln in der Freiheit des Glaubens“, betonte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche von Westfalen, „geschieht aus Dankbarkeit gegen Gottes Gnade. Wer in diesem Sinne handelt, muss sich nicht überfordern: Meine Person steht und fällt nicht mit meiner Leistung.“ Es sei ein Rückfall in die Denkweise vor der Reformation, wenn heute gefordert werde: Leistung muss sich wieder lohnen. Buß: „Diese Parole unterstellt, dass gute Leistungen von Schülerinnen und Schülern nicht bereits ihren Wert in sich haben, sondern noch zusätzlicher Belohnung bedürfen, während Leistungsschwache schon sehen werden, was sie davon haben.“

Schon zum Auftakt hatte Dr. Martin Grimm, Vorsitzender des Beirats des Martin Luther Forum Ruhr erklärt: „Wir suchen den Dialog und möchten mit unserem Programm dazu beitragen, dass die Wurzeln christlicher Kultur lebendig bleiben.“ Diesen Anspruch setzte Peter R. Seeber, Pfarrer i.R., schon im Rahmen der Eröffnungszeremonie in die Tat um. Er schlüpfte in die Rolle Martin Luthers und lieferte den Gästen humorvoll und kenntnisreich Informationen zum Luther Triptychon aus Weimar, das noch bis zum 5. November an der Bülser Straße in Gladbeck zu sehen ist.