Bewährungsprobe für die Soziale Marktwirtschaft

Wirtschaftsweiser Prof. Schmidt beim Talk am Turm im Martin Luther Forum Ruhr

Das Schlimmste scheint vorbei: Die deutsche Wirtschaft erholt sich nach der Krise schneller, als von vielen vermutet. Aber wie kam es zu der Krise? Hat die Soziale Marktwirtschaft versagt, oder hat sie sich am Ende doch als zukunftsfähige Wirtschaftsform, die sich auch auf dem globalisierten Markt durchsetzen kann, erwiesen? Wird sie auf ihre alten Tage hin gar noch zum Exportschlager?

Über diese und andere Fragen zur Sozialen Marktwirtschaft diskutieren am 7. September im Martin Luther Forum Ruhr Prof. Dr. Christoph Schmidt, einer der renommiertesten deutschen Wirtschaftswissenschaftler, und Prof. Dr. Traugott Jähnichen, ev. Theologe an der Ruhruniversität Bochum. Der Themenabend richtet sich an alle, die an einer fundierten Streitkultur interessiert sind.

Beide Diskutanten sind ausgewiesene Experten ihres Faches. Prof. Schmidt wurde erst im vergangenen Jahr in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Wirtschaftsweiser) berufen und Prof. Jähnichen widmet sich als Dozent für Christliche Gesellschaftslehre seit Jahren den Problemen der sozialen Integration in einer fortschreitend globalisierten und technisierten Welt.

Im Anschluss an die Talkrunde, die von Ruth Obermann moderiert wird, lädt der Verein zur Förderung der Gladbecker Wirtschaft zu einem kleinen Imbiss. Beginn des Themenabends ist 19:30 Uhr.

 

Zur Sozialen Marktwirtschaft:

Von vielen heute oftmals vergessen, geht die Soziale Marktwirtschaft unter anderem auf den kirchlichen Widerstand gegen die Nazi Diktatur zurück. Geistige Vordenker sind evangelische Professoren wie Alfred Müller-Armack, Walter Eucken oder Wilhelm Röpke, die bereits 1942/43 auf Anregung des protestantischen Theologen Dietrich Bonhoeffer die Grundlagen für einen politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Neuanfang beschrieben. In ihrer „Freiburger Denkschrift“ empfahlen sie „eine auf der Selbstverantwortlichkeit der Einzelwirtschaften aufgebaute, weitgehend durch genossenschaftliche und berufsständische Vereinigungen ergänzte Gesamtwirtschaftsordnung“… als Schutz gegen das Aufkommen unbeschränkter, maßloser Gewalt. Politische Einrichtungen allein haben sich als nicht genügend widerstandsfähig erwiesen.“

Die Idee, mit einer weitgehend autonomen Wirtschaft einen Mittelweg zwischen „laissez faire“ und Planwirtschaft zu beschreiten, wurde unter dem evangelischen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard politische Wirklichkeit. Die katholische Seite verfolgte in ihrer Soziallehre, die wesentlich von Oswald von Nell-Breuning entwickelt wurde, hingegen eher ein Modell des paternalistischen Sozialstaates, der sogar Elemente eines „christlichen Sozialismus“ (Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand, Investivlohn) enthielt.

Vor diesem Hintergrund kommt der katholische Zeithistoriker Heinz Hürten zu dem Schluss, dass die „effektvollste Leistung der CDU/CSU, die Soziale Marktwirtschaft, nach Konzept und Realisierung im Wesentlichen das Werk evangelischer Unions-Politiker gewesen sei.“