Weckruf gegen die Entchristlichung Deutschlands

„Weckt die tote Christenheit aus dem Schlaf der Sicherheit“, so lautet der Titel eines schönen deutschen Kirchenliedes. So hätte ohne weiteres auch der Diskussionsabend am Mittwoch im Martin Luther Forum Ruhr überschrieben sein können. Denn dort stellte der Politologe und Publizist Dr. Andreas Püttmann vor knapp 60 Zuhörern sein Buch „Gesellschaft ohne Gott“ vor und entwickelte auf der Basis von umfangreichem empirischen Zahlenmaterial Thesen, die es sich in hatten.

Sein Befund: „Der christliche Traditionsabbruch in Deutschland ist dramatisch. Doch viele haben das noch nicht begriffen.“ Die Zahl der deutschen Protestanten hat sich in den letzten beiden Generationen halbiert. Die Kirchgänger unter den Katholiken sind zwischen 1950 bis heute von über 50 Prozent auf 10 Prozent geschrumpft. „Das ist keine Erosion, das ist eine Implosion der Volkskirchen.“ Hinzu komme, dass unter den vielen Kirchensteuerzahlern immer mehr getaufte Heiden seien, die ihren Glauben nicht mal mehr buchstabieren können.

Schien dieser erschreckende Befund den meisten der Zuhörer aus eigener Anschauung bekannt, so sorgten Püttmanns weitere Ausführungen doch für einige Überraschungen. Umfragen, in denen die Meinungsforschung Denken, Fühlen und Handeln der Christen untersucht hat, führten den Politikwissenschaftler zu der Einschätzung, dass der christliche Glaube Menschenwürde und Lebensrecht schütze, Rechtsbewusstsein und Toleranz stärke, Leistungsbereitschaft und Hilfsbereitschaft fördere und gegen Ideologien und Radikalismus immunisiere. Dessen bewusst scheint sich auch Gregor Gysi zu sein, der von Püttmann mit den Worten zitiert wurde: „Auch als Nichtgläubiger fürchte ich eine gottlose Gesellschaft.“

Nicht zuletzt wegen dieser positiven Auswirkungen des Glaubens, lohne es sich, so Püttmann, der Entchristlichung Deutschlands entgegen zu treten. Sein Vorschlag: „Wenden Sie den Satz des Stuttgarter Schuldbekenntnisses des Rates der EKD vom Oktober 1945 ins Positive. Dort heißt es: ´Wir klagen uns an, dass wir nicht mutiger bekannt, nicht treuer gebetet, nicht fröhlicher geglaubt und und nicht brennender geliebt haben`.“

Die langanhaltenden angeregten Gesprächen nach dem Vortrag zeigten, dass das Martin Luther Forum Ruhr einmal mehr am Mittwochabend wieder Anstöße für den kritischen Dialog liefern konnte. Die Fortsetzung folgt sicherlich, wenn Dr. Eugen Drewermann am 14. Februar an der Bülser Straße zu Gast ist. Karten gibt es ab sofort im Vorverkauf.