Reformation wirkt fort mit Impulsen für die Freiheit

Sie schlug den Bogen von der allgegenwärtigen und zunehmenden Vermarktung Martin Luthers anlässlich des Reformationsjubiläums, die bis zur Playmobil-Verkaufsschlager-Figur reicht, bis hin zur Frage, welche Impulse die Reformation Luthers für Gegenwart und Zukunft vermittelt: Präses Annette Kurschus von der Ev. Kirche von Westfalen ging in der Veranstaltung „Luther kommt an! Was bleibt, was kommt nach der Lutherdekade?“ im Martin Luther Forum Ruhr in Gladbeck in ihrem Festvortrag in anspruchsvoller und zugleich lebendiger Art und Weise auf das Thema des Tages ein. Kurschus hofft, dass im Jubiläumsjahr 2017 die Lutherbilder nicht nur restauriert und erneuert werden, sondern dass auch Platz sein werde, diese Lutherbilder zu befragen und vielleicht sogar an manchen Stellen in Frage zu stellen.

Zunächst zeichnete die Präses ein differenziertes Bild des Menschen und Theologen Martin Luther mit all seinen Stärken und Schwächen. Die Wirkungsgeschichte des Reformators, der sich selbst niemals so bezeichnet habe, sei für uns so nah, aber auch so verstörend. Annette Kurschus ordnete das Wirken Luthers in die Geschichte, die Entwicklungen und die Umbrüche seiner Zeit ein. Die Frage „Wer kommt mit Luther an“ führte die Theologin zu der Feststellung, dass die Vielfalt der reformatorischen Bewegungen „weit über Luther hinaus reicht“. 2017 sei auch eine gute Gelegenheit, an Melanchthon, Bucer, Zwingli und Calvin zu erinnern und den Reichtum der unterschiedlichen Reformationen zu entdecken. Kurschus: „Deshalb spreche ich lieber von der Reformations-Dekade als von der Luther-Dekade.“

Worauf es ankommt auch nach 2017: Der „Glutkern“ Luthers Wirkens ist für Präses Kurschus das Nein zur Vorstellung, menschliches Handeln könnte eine Art Währung zwischen Mensch und Gott sein. Denn die Gnade Gottes sei ein reines Geschenk, das nicht durch gute Werke und Handeln verdient werden könne. Mit dieser Erkenntnis stehe auch die Kirche seit der Reformation nicht mehr als Vermittler zwischen Menschen und Gott. Das bedeutet Freiheit – ein zentraler Begriff der Reformation. Denn wenn sich Menschen vor Gott und Christus über sich selbst Klarheit verschafften, würden sie frei dafür werden, was in der Welt als Christ zu tun sei.

Ehrung für Professor Günter Brakelmann

„Reformation ist Freiheit“ hat der Bochumer Theologe Professor Dr. Günter Brakelmann einmal in einem Interview gesagt: ein passender Anknüpfungspunkt für die Ehrung Brakelmanns im Rahmen dieser Veranstaltung für sein langjähriges Wirken als Universitätslehrer, Autor und Vortragender. Luther war und ist ein großes Thema für Günter Brakelmann. Professor Dr. Traugott Jähnichen in seinen Fußnoten „Lutherexpertise/Lutherforschung im Ruhrgebiet“: „Luther war immer ein umstrittener Theologe. Günter Brakelmann beschäftigt alle diese Widersprüche.“ Das habe dieser zum Anlass genommen, vor allem an der Universität zu Luther hinzuführen. Dabei habe er die tiefe und bleibende Bedeutung Luthers klargemacht, zugleich aber vor einer Verherrlichung gewarnt. „Wir haben Luther nicht hinter uns, sondern vor uns“, sagt Günter Brakelmann heute. Das verweist auch auf das Erbe Luthers: „Der Christ ist frei für den Dienst in der Liebe, für seine Mitmenschen“ (Jähnichen).

Als Dank und Anerkennung für sein Werk und sein Engagement überreichte Detlef Mucks-Büker, Vorsitzender des Stiftungsrats der Martin Luther Stiftung Ruhr, Günter Brakelmann (er wurde am 3. September 85 Jahre alt) das Originalbild „Buch und Hände (Luther)“ des Berliner Künstlers Harald Birck.
Die Einführung zu dieser Veranstaltung im Martin Luther Forum Ruhr am Beginn der Zielgeraden zum Reformationsjahr 2017 hatte Prof. Dr. Michael Basse gegeben: Er stellte „Erste Spuren der Reformation in der Region Ruhr“ dar.

Als musikalische Begleitung servierte der Projekt-Chor „MaLu“ unter der Leitung von Kreiskantor Wolfgang Flunkert, Herne, eine mitreißende Kostprobe mit Stücken aus dem Pop-Oratorium LUTHER, das am 12. und 13. November in der Maschinenhalle Zweckel in Gladbeck aufgeführt wird.

WAZ-Bericht Pragmatiker und Provokateur – Marti­n Luther