Ein neugieriger Mensch weiß Orientierung zu geben.

Der Große Saal bis auf den letzten Platz gefüllt, vor dem Bildschirm im Café am Turm die Menschen dichtgedrängt. Am Montagabend herrschte im Martin Luther Forum Ruhr drangvolle Enge. Alle warteten gespannt auf Dr. Margot Käßmann.

Wie schon auf dem ökumenischen Kirchentag in München, wusste die ehemalige Landesbischöfin auch in Gladbeck die Menschen zu begeistern. Mit stehenden Ovationen und langanhaltendem Applaus dankten die über 300 Gäste Dr. Margot Käßmann für ihre klaren Positionen, die sie im Gespräch mit Detlef Mucks-Büker, dem Superintendenten des Kirchenkreises Gladbeck-Dorsten-Bottrop, entwickelt hatte.

Zu Beginn des Abends hatte Prof. Oliver Scheytt, Chef der Ruhr.2010 GmbH, in einem kurzen Grußwort die Leistung des Martin Luther Forum Ruhr gewürdigt, eine ehemalige Kirche zu einer Plattform für Dialog und Streitkultur zu machen. Diesem Anspruch sollte das Forum im weiteren Verlauf des Gesprächsabends einmal mehr gerecht werden.

Denn Margot Käßmann hielt ein starkes Plädoyer für eine engagierte Kontrastgesellschaft, die sich Zeit füreinander nimmt und die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinanderklaffen lässt. „Wenn Hartz-IV-Empfänger weniger Elterngeld bekommen sollen, finde ich muss Kirche dagegen stehen“, sagt sie mit Empörung in der Stimme. Mit Blick auf die Ökumene, machte sie sich stark für eine „versöhnte Verschiedenheit, so weit versöhnt, dass man gemeinsam Abend-mahl feiern kann“. Und befragt zu ihrer Haltung zum Islam, warb Käßmann für eine differenzierte Auseinandersetzung. „Denjenigen, die Angst vor einer schleichenden Islamisierung haben, sage ich ‚Geht sonntags fleißig in die Kirche, dann müsst ihr euch keine Sorgen machen, dass die Moscheen so voll sind‘.“ Andererseits forderte sie alle dazu auf, eine neue Begegnungskultur zu schaffen. „Vielfach wissen wir einfach zu wenig voneinander.“

Im Martin Luther Forum Ruhr wurde diese Begegnungskultur am Montagabend Wirklichkeit. Noch lange standen die Gäste zusammen, unterhielten sich im wahrsten Sinne des Wortes über Gott und die Welt und nutzten die Gelegenheit, mehr voneinander zu erfahren.