Starkes Plädoyer gegen das Vergessen und für die Demokratie

img_4170Es war eine Lehrstunde über Freiheitsstreben, Demokratie und gegen Politikverdrossenheit, als Dr. hc. Joachim Gauck im Gespräch mit Peter R. Seeber am Freitagabend im Martin Luther Forum Ruhr der Frage nachging, ob nach 20 Jahren Wiedervereinigung zusammenwächst, was zusammen gehört. Dabei lernten die mehr als 300 Gäste im Verlauf des Gesprächs einen Menschen kennen, der bis heute aus einer unbändigen Freiheitsliebe heraus energisch gegen das Vergessen und für die Demokratie eintritt.

Vieles von dem Engagement des Joachim Gauck mag sich aus seinem Lebenslauf herleiten lassen: Sein Vater wurde „wegen Nichts“ zu zweimal 25 Jahren Straflager in Sibirien verurteilt und seinen eigenen Kindern wurde das Abitur verwehrt, weil sie nicht der Parteijugend angehörten.

Doch das allein erklärt nicht, warum er zu einer der führenden Köpfe der friedlichen Revolution in der DDR wurde. Es war vielmehr die „Fähigkeit zur Verantwortung, die jeder in sich trägt“ und der „Traum, in einem freien Land zu leben“. Sie ließen ihn 1989 als Pfarrer auf die Straßen gehen, um für demokratische Verhältnisse zu demonstrieren.

Als Joachim Gauck dann tatsächlich im März 1990 im Alter von 50 Jahren erstmals an freien und gleichen Wahlen teilnehmen durfte, kamen ihm Tränen der Freude. Die ganz persönlichen Einblicke, die Joachim Gauck in sein Leben gab, bildeten die Folie für all die Fragen, die sich um das Zusammenwachsen von Ost und West rankten.

Differenziert bezog er Stellung zur Frage, ob der Solidaritätszuschlag auf Dauer zu rechtfertigen sei, und erstaunte den einen oder anderen Zuhörer mit der Feststellung, dass die gesellschaftlichen und politischen Unterschiede innerhalb der Neuen Bundesländer ungleich größer seien, als diejenigen zwischen Ost und West. Weniger überraschend fiel sein Urteil über die DDR aus. „Natürlich war sie ein Unrechtsstaat. Das sollten sich auch diejenigen vor Augen führen, die betonen, dass es in der DDR doch Vollbeschäftigung und kostenlose Kindergartenplätze gab.“

Den Hinweis auf die diktatorischen Verhältnisse in der DDR verband Joachim Gauck mit einem flammenden Plädoyer gegen die um sich greifende Politikverdrossenheit. „Die Demokratie lebt davon, dass wir zur Wahl gehen. Und wenn Sie auch mit den Parteien unzufrieden sein sollten, dann gehen Sie trotzdem zur Wahl und machen Ihr Kreuz bei der Partei, die Sie für die weniger Schlechte halten. Diese Freiheit sollten Sie sich nicht nehmen lassen.“