Der Sonntag ist im Wandel, als allgemeiner Ruhetag wird er hinterfragt, seine Abschaffung, zumindest aber eine Lockerung des Gebots der Arbeitsruhe, oftmals gefordert. Offensichtlich nicht ohne Erfolg. Aktuell arbeiten fast 30 Prozent der Berufstätigen in Deutschland sonntags und die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage nimmt weiter zu. „Diese Entwicklung ist nicht ungefährlich. Sie trägt dazu bei, dass der Rhythmus der Menschen im Alltag verlorengeht“, stellte Albert Henz, theologischer Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen am Donnerstagabend im Martin Luther Forum Ruhr fest. „Da müssen wir uns als Kirche drum kümmern.“ Auf Einladung des Forums und der Welt am Sonntag war Henz nach Gladbeck gereist, um in einer prominent besetzten Talkrunde die Frage zu diskutieren, ob uns der Sonntag noch heilig ist.
An seiner Seite: Dr. Gerhard Papke, MdL und Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, Dr. Andreas Heusch, Präsident des Verwaltungsgerichts Düsseldorf und Jürgen Bessel, Vorstandsvorsitzender des Einzelhandelsverbandes Ruhr. Die ebenfalls eingeladene Vorsitzende des ver.di-Landesbezirks NRW, Gabriele Schmidt, hatte ihre Teilnahme kurzfristig absagen müssen.
Vielleicht war das der Grund für die weitgehende Einigkeit auf dem Podium. Jedenfalls stellte niemand die Sonntagsruhe grundsätzlich in Frage. Allein Gerhard Papke ließ anklingen, dass er für die zusätzliche Öffnung von Videotheken am Sonntag sei und sich vorstellen könne, dass auch Blumenläden und Bäckereien an Feiertagen geöffnet haben.
Demgegenüber stellte Andreas Heusch, Versuchen die Sonntagsruhe weiter auszuhöhlen, kaum Chancen auf Erfolg aus und verwies auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. 2009 hatten die Kirchen erfolgreich gegen das Berliner Ladenöffnungsgesetz von 2006 geklagt, das zehn verkaufsoffene Sonntage pro Jahr gestattete, darunter alle vier Adventssonntage.
Ein solch offensives Vorgehen für die Sonntagsruhe forderte Albert Henz auch in Zukunft von seiner Kirche ein. „Wir müssen uns dagegen wehren, den so notwendigen Ruhetag mehr und mehr zur ökonomischen Manövriermasse, zur ungenutzten Ressource im Kampf um Wettbewerbsvorteile werden zu lassen.“
Damit rannte er – einigermaßen überraschend – auch offene Türen bei Jürgen Bessel ein. Der Einzelhändler und Verbandschef sprach sich ebenfalls gegen eine höhere Zahl von Verkaufsoffenen Sonntagen aus. „Das Geld, das die Kunden sonntags in den Geschäften lassen, fehlt in der Woche in der Ladenkasse. Ich bin überzeugt, dass es für den Einzelhandel keinen Mehrumsatz gibt.“
Ob allerdings demnächst in den Läden der Bessel GmbH die Werbetafel hängt, die Albert Henz zum Ende der Gesprächsrunde an seine Gesprächspartner überreichte, wird sich noch erweisen müssen. Darauf stand „Gott sei Dank, es ist Sonntag. Unser Geschäft bleibt sonntags geschlossen.“