Sommerempfang: Schwedens Erzbischöfin Dr. Antje Jackelén hielt den Festvortrag

Schwedens Erzbischöfin Dr. Antje Jackelén steht für eine Kirche mitten im Leben. Folgerichtig sind für die erste Frau an der Spitze der protestantischen Kirche von Schweden „Reformation und Weltverantwortung“ untrennbar verbunden – und das machte sie im gleichnamigen Festvortrag auf dem Sommerempfang am 23. Juni  im Martin Luther Forum Ruhr in Gladbeck beeindruckend deutlich. So gehörten Rechtfertigung und Gerechtigkeit zusammen. Wer an Rechtfertigung glaube, werde auch daran interessiert sein, dass es in der Welt so gerecht wie möglich zugehe. „Daraus leitet sich Weltverantwortung ab.“

Reformation und Weltverantwortung: Eine Welt, in der es so gerecht wie möglich zugeht

Vor rund 250 Gästen des Sommerempfangs in der ehemaligen Markuskirche Gladbeck machte die aus Herdecke stammende Erzbischöfin Jackelén Reformation und Weltverantwortung an fünf Bereichen fest: „Es geht um Bildung, um Freiheit, ums Fürchten, ums Verstehen und um Hoffnung.“ So sei reformatorische Weltverantwortung von Bildung und Verantwortung für Bildung nicht zu trennen. „Die Reformation begann im Schoße einer Universität.“ Freiheit sei ein zentrales Anliegen der Reformation.

 

Mittelweg des Verstehens

„Weltverantwortung“, so die Theologin weiter, „ist die Antwort auf die Fragen, vor die die Welt uns stellt. Wer recht antworten will, muss die Frage verstehen.“ Verstehen bedeute aber auch übersetzen und deuten. Jackelén sprach sich in diesem Zusammenhang – unter anderem mit Bezügen auf Friedrich Nietzsche und Naturwissenschaftler wie Heisenberg und Born – für einen „guten Mittelweg des Verstehens“ aus: „Nämlich den Weg, der nicht in den Graben eines uferlosen Relativismus führt, aber auch nicht in rigider Prinzipienreiterei oder totalitären Ansprüchen endet. Es sind nicht permanente Prinzipien, die selig machen, sondern die permanente Kritik der Prinzipien – eine Kritik, die Grundsätze vor dem Erstarren zum Dogma bewahrt. Die Bischöfin zeigte sich überzeugt, dass eine gute Ethik für unsere Zeit nur dann formuliert und gelebt werden könne, wenn man diesen Mittelweg des Verstehens finde. Ein derart gelöstes Denken bewahre davor, die jeweils anderen entweder zu vergöttern, zu verteufeln oder zu trivialisieren. „Der Wille, sich dem Ruf des Anderen zu stellen, lässt hoffen, dass wir doch noch eine heilsamere Zukunft für mehr Menschen schaffen können.“

 

Nächstenliebe gegen Dornröschenschlaf

Zum Schluss stellte Erzbischöfin Antje Jackelén die Zukunftsfrage: „Hat die Kirche, haben Christen noch eine Bedeutung als Hoffnungsträger? Und ist diese Bedeutung auf den privaten Bereich beschränkt oder hat sie Einfluss auch auf das öffentliche Leben?“ Eine Antwort lautete: „Die öffentliche Rolle der Kirche steht in direkter Relation zum Willen zur Weltverantwortung. Dort, wo sich Kirche liebevoll für Welt und Menschen engagiert, wird Kirche auch als öffentlichkeitsrelevant wahrgenommen.“ Immer wieder sei es die Nächstenliebe, die theologische Erkenntnisse und Schätze an die Öffentlichkeit bringe: „Es sind die Herausforderungen einer jeden Zeit, die auch immer wieder christlichen Glauben und christliches Leben aus dem Dornröschenschlaf der Trägheit oder Selbstvergessenheit wachküssen.“

Die Gäste des Sommerempfangs hatte Dr. h.c. Alfred Buß, Alt-Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen und Vorsitzender des Beirats des Martin Luther Forum Ruhr, begrüßt. Bürgermeister Ulrich Roland sprach ein Grußwort. Musikalische Gestaltung: Christian Schnarr, Jazzpianist und Komponist, Herne.

Fotos: Werner Bugzel (1,2,4,5) und Werner Conrad

Der Sommerempfang des Martin Luther Forum Ruhr wurde unterstützt von CURACON


02-sommerempfangDie höchste Repräsentantin der weltweit größten lutherischen Kirche

Als 70. Erzbischof von Uppsala ist Dr. Antje Jackelén höchste Repräsentantin der weltweit größten lutherischen Kirche. Von den 9,6 Millionen Schweden gehören ihr rund 70 Prozent an.
Jackelén hat die deutsche und die schwedische Staatsbürgerschaft. „Ich habe es als etwas Positives erlebt, mehr als eine Identität und mehrere Perspektiven zu haben“, erzählt sie in einem Online-Interview der schwedischen Kirche.
Die Erzbischöfin ist im westfälischen Herdecke geboren (1955). Nach dem Abitur in Wetter an der Ruhr studierte sie Theologie an der Kirchlichen Hochschule Bielefeld-Bethel, in Tübingen und in Uppsala. Zur Pastorin der Schwedischen Kirche wurde sie 1980 ordiniert.
Anschließend war Jackelén, die mit einem schwedischen Pastor verheiratet ist und zwei Töchter hat, in der Kirchengemeinde Tyresö (Bistum Stockholm), in Gardstånga (Bistum Lund) und in der Domgemeinde Lund tätig. 2007 wurde sie zur Bischöfin der südschwedischen Diözese Lund geweiht.
Die promovierte Theologin lehrte von 2001 bis 2003 als Professorin für Systematische Theologie, Religion und Wissenschaft an der Lutherischen Theologischen Hochschule von Chicago. Anschließend war sie Professorin und Direktorin des Zygon-Zentrums für Religion und Wissenschaft in Chicago.
Jackelén engagiert sich für eine Kirche mitten im Leben. Als „BiskopAntje“ ist sie auf Twitter aktiv.
(Auszüge aus: www.evangelisch.de)