Aus dem Erinnern selbst zum „Zeitzeugen“ werden

Ausstellung im Martin Luther Forum Ruhr erinnert an Schoah-Überlebende

Nicht wegsehen, sondern erinnern, bewahren, Erlebtes weitertragen, selbst aus dem Erzählten zum „Zeitzeugen“ werden, damit nachkommende Generationen aus der Geschichte lernen: So kann man die Intention der ungewöhnlichen Zeitzeugen-Ausstellung „Heimatsucher – Schoah-Überlebende in Israel heute“ zusammenfassen, die am 27.Januar im Martin Luther Forum in Gladbeck vor gut 150 Besucherinnen und Besuchern eröffnet wurde – mit Grußworten von Gladbecks Bürgermeister Ulrich Roland, Landrat Cay Süberkrüb und Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen.

Der 27. Januar ist der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, internationaler Holocaust-Gedenktag und im Ruhrgebiet auch ein Tag des Erinnerns daran, dass an diesem Tag im Jahre 1942 der erste Deportationszug vom Gelsenkirchener Güterbahnhof hunderte Männer, Frauen und Kinder jüdischer Herkunft aus Gelsenkirchen und umliegenden Städten ins Ghetto Riga brachte; für die meisten eine Reise ohne Rückkehr.

Die Ausstellung der beiden Design-Studentinnen Anna Damm und Sarah Hüttenberend unter Mitarbeit von Ruth-Anne Damm nimmt Überlebende des Völkermords in den Blick, Menschen aus ganz Europa, die während und nach der Zeit des Nationalsozialismus nach Israel geflohen sind, um dort eine neue Heimat zu finden. Sarah Hüttenberend: „Uns interessierten diese Fragen: Wer sind diese Menschen, die das Grauenvolle überlebt haben? Wo kommen sie her? Wie kann man weitermachen nach dem Erlebten? Wie kann man wieder ein Zuhause finden nach dem Erlebten?“ Die Antworten der zwölf in der Ausstellung porträtierten Frauen und Männer, die die beiden Studentinnen vor zwei Jahren in Israel aufsuchten, fallen sehr verschieden aus, wie die jeweiligen Berichte und Interviews zeigen.

Eine von ihnen, Frieda Kliger, drückte es so aus: „Heimat ist die Liebe, die du um dich herum fühlst. Es bedeutet, sich frei fühlen, sagen zu können, was deine Gedanken sind, was dich schmerzt und was dich stört. Heimat ist, wenn man die Leute um sich herum hat, die du liebst.“ Inzwischen haben die Initiatorinnen das Ausstellungskonzept erweitert und auch in Deutschland lebende Zeitzeugen porträtiert – so wie zum Beispiel den in Marl lebenden Vestischen Ehrenbürger Rolf Abrahamsohn (87).

Er gehörte vor 71 Jahren zu den ersten Deportierten, er überlebte Riga und den Holocaust – wie der Gelsenkirchener Kurt Neuwald, dessen Tochter Judith Neuwald-Tasbach als Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen bei der Ausstellungseröffnung im Martin Luther Forum Ruhr in Gladbeck in bewegenden Worten dazu aufrief, die Jugend dazu zu erziehen, „dass sie Rasssismus, Intoleranz und Unmenschlichkeit rechtzeitig die Stirn bietet“. Auch in Gladbeck wurden im Zuge der Ausstellung Schulklassen angesprochen. Ruth-Anne Damm: „Die Ausstellung wurde in Zusammenarbeit mit Studierenden der Universität Osnabrück und der Universität Düsseldorf kindgerecht aufgearbeitet.

So kann Schülerinnen und Schülern ab der 4. Jahrgangsstufe bis zur Oberstufe das komplexe und emotionale Thema der Schoah nahegebracht werden.“ Mehr Infos: www.heimatsucher.eu

Text: Werner Conrad
Fotos: C. Jeschinsky und A. Damm

Fotos von der Abschlussveranstaltung: